Verlassenschaften

eine Arbeit über die Stille in einer lauten Welt, voller Einsamkeiten, von und mit Ruth Geiersberger und Kompliz*innen im Kirchenraum

Ruth Geiersberger steht im Beichtstuhl  und hebt den Vorhang mit Blick nach oben. Titel des Programms ist Verlassenschaften.

Glück und Unglück
beides trag in Ruh.
Alles geht vorüber
und auch Du.

(Marterlspruch)

 

Installation, konzertante Andachten und Gespräche

Musik: Maria Reiter (Akkordeon), Evi Keglmaier (Bratsche, Stimme), Michel Watzinger (Hackbrett), Peter Gerhartz (Orgel)

Idee, Konzept, Spiel, Stimme, Verrichtungen:
Ruth Geiersberger

Film: Severin Vogl

Textauswahl und dramaturgische Beratung:
Andrea Kaufmann

Kircheninnenraum von oben  Projekt Verlassenschaften
Ruth Geiersberger steht auf der Kanzel mit Blick nach oben zur Taube =  heiliger Geist
Ruth Geiersberger und Evi Keglmaier sitzen am Beichtstuhl

Ruth Geiersberger und Evi Keglmaier

Alle Fotos: Severin Vogl

 

Zu jeweils unterschiedlichen Phänomenen des Lebens – das Warten, das Idyll, die Andacht und viele scheinbar alltägliche Momente mehr – nimmt Ruth Geiersberger sich im November 2022 einer Thematik an, die früher oder später jeden angeht: Was bleibt, wenn man geht? Ein beweglicher Beichtstuhl, die Kirche St. Paul, ein Laden für Begräbniskultur, der Kunstraum der DG (Gesellschaft für christliche Kunst) und das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst sind die Orte, an denen – durchaus auch heiter – über das Memento mori sinniert wird.

Der Beichtstuhl

Mit einem mobilen Beichtstuhl wird sie sich zunächst in der Nähe der Kirche St. Paul an der Theresienwiese aufhalten. Im Lärm der Stadt taucht sie in Stille ein und lädt die Vorübergehenden zum „Beichtstuhlgespräch“ ein. Daraus entsteht ein Kurzfilm, der in Verbindung mit diesem mobilen und einem weiteren festen Beichtstuhl in der Kirche St. Paul als Video-Klang-Installation zu sehen sein wird.

Die Beichtstuhlsitzungen sind eine Weiterentwicklung der Projekte „Gespräche auf dem Bankerl“, (einem Filmprojekt von Severin Vogl und Ruth Geiersberger, www.bankerl.de,2020) und der performativen Gesprächsreihe „Kettenreaktion“ (Theater HochX, 2020/21).

Ich werde zum intimen Gespräch im Beichtstuhl bitten, und zum puren Sosein in Stille in einer zu lauten Welt einladen, denn der Künstler ist auch Seelsorger. Damit übernehme ich eine Art Priesterinnenrolle. Mich interessiert vor allem, was passiert, wenn sich Menschen aller Altersstufen, aus verschiedensten Schichten, mit ihren persönlichen Anliegen, Nöten und Freuden zu mir in den Beichtstuhl setzen und wir dann einfach zu sprechen anfangen. Welche Fragen stellt man an sich selbst, an sein Gegenüber, an die Welt, ans Diesseits und ans Jenseits? Vielleicht schweigen wir auch einfach miteinander, oder schreiben uns ein paar Zeilen? (RG)

Der Filmer Severin Vogl wird diese Begegnungen festhalten. Mit dem mobilen Beichtstuhl auf Rädern wird Ruth Geiersberger im öffentlichen Raum eine etwas andere Kundschaft „einfangen“.

Meine Gesprächspartner werden, um ganz frei reden zu können, anonym bleiben, man sieht dann im Film nur ‚Zitate‘ ihrer Person: einen Fuß, ein Hosenbein, eine Tasche, eine Geste, eine Hand. Im Film werden dann v.a. Klänge der mitwirkenden MusikerInnen „zu Wort kommen“. (RG)

Gesprächsverrichtungen

In drei Gesprächsverrichtungen mit Dialogpartnern aus einschlägigen Fachgebieten und Musikern, mit denen Ruth Geiersberger seit vielen Jahren erstaunliche Klangszenarien webt, betrachtet sie das weite, immer wieder ebenso entrückte, kontemplativ aufregende Feld der VERLASSENSCHAFTEN. Moderiert werden die Gespräche von Ruth Geiersberger, natürlich mit einigen Verrichtungen und mit Klängen von Evi Keglmaier, Maria Reiter und Michel Watzinger versehen.

Als Kind hatte ich ein Spiel, das nannte ich Verlassenschaften: einfach Dasein, nichts wollen, sich mit Geräuschen, Dingen und Gedankenlandschaften beschäftigen… einfach Staunen dürfen mit der kindlichen großen Neugierde für die Welt. Das ist geblieben und ich finde dies wieder in meinen künstlerischen Verrichtungen. In den letzten Jahren, wohl auch der Pandemie geschuldet und all den Katastrophen, habe ich die Kirchenräume als wichtige Orte wiederentdeckt. Orte an denen man zur Ruhe kommt, Orte an denen Gedanken auch auf Reise gehen können. (RG)

Programm

Sonntag, 30. Oktober 2022, 11 Uhr
DG Kunstraum, Finkenstr. 4, 80333 München

Gespräch 1

Dr. Sylvia Schoske, Ägyptologin und ehemalige Leiterin des Staatlichen Museum für Ägyptische Kunst, SMAEK, trifft auf Pfarrer Rainer Hepler. Sie sprechen über die Bedeutung sakraler Räume und tauschen Ideen für Jenseitiges aus. Und wieder geht es ums Beichten: Was ist das Prinzip des Beichtens, was bewirkt so ein Ort Beichtstuhl? Was hat es auf sich mit dieser Reinigung von Sünden bei den Katholiken und dem „sich freikaufen“ durch ein negatives Sündenbekenntnis (eine Art Beschreibung, wie man alles doch richtig gemacht habe, um ins Jenseits zu dürfen) im Totenbuch bei den Altägyptern?

 

Sonntag, 6. November, 20.15 Uhr
St. Paul, St.-Pauls-Platz 11, 80336 München

Vernissage der Beichtstuhl-Installation mit konzertanter Andacht zur TatOrtZeit
Erstes Konzert mit Beichtstuhl-Aktionen: Diskurs über Stille und Jenseitiges

Bis da mal Gras drüber gewachsen ist. Helmut Qualtinger: Jetzt sind wir die Menschen auf der Wiese. Bald sind wir die Menschen unter der Wiese.

Ruth Geiersberger (Regie, Stimme, Verrichtungen) Peter Gerhartz (Orgel), Maria Reiter (Akkordeon), Evi Keglmaier (Bratsche, Stimme), Michel Watzinger (Hackbrett)

 

Samstag, 12. November 2022, 18.00
Rathaus, Laden für Begräbniskunst und Mode „weiss über den Tod hinaus“
Landschaftsstr. 1 / Marienhof, 80331 München | Kooperationsprojekt mit IOSOY & L. Gastroph

Gespräch 2: Schneewittchen oder der Tod und die Schönheit

Egal in welchem Kulturkreis: die Rituale der Beerdigungen sind vielfältig und immer bedeutsam. Wo sonst, als in einem Laden für Beerdigungskultur sollte eine musikalisch angereicherte Gesprächsverrichtung über den letzten Akt des Lebens im Hier und Jetzt stattfinden? Natürlich in einen temporären Pop-Up-Store für Begräbniskunst und Mode im Rathaus. Pfarrer Brian McNeil trifft auf die Bestatterin Lydia Gastroph.

 

Donnerstag, 24. November, 20 Uhr
Staatliches Museum für Ägyptische Kunst, Gabelsbergerstr. 35, 80333 München

Gespräch 3

Helmut Qualtinger stellte einst fest: Die anzige Art von Zufriedenheit, die's in Wien gibt, is der Tod. Der Wiener Grabredner, Autor und ehemalige Jesuit Hannes Benedetto Pircher trifft auf antike Skulpturen und heutige Ägyptologen. Sie reden über die Kunst der Funeral-Rhetorik, unverzichtbar für ein würdiges Begräbnis.

 

Sonntag, 27. November, 20.15 Uhr
St. Paul, St.-Pauls-Platz 11, 80336 München

Finissage mit konzertanter Andacht zur TatOrtZeit
Zweites Konzert mit Verrichtungen: Sarg von hinten gelesen heißt Gras

Skulpturale Handlungen im Kirchen-Raum. Eine Überlegung: schon zu Lebzeiten einen Sarg kaufen und den als Schrank oder Verstaukiste benutzen!

Ruth Geiersberger (Regie, Stimme, Verrichtungen), Peter Gerhartz (Orgel), Maria Reiter (Akkordeon), Evi Keglmaier (Bratsche  Stimme)

Pressestimmen

Süddeutsche Zeitung | Egbert Tholl vom 12. November 2022

Münchner Feuilleton| Klaus Kalchschmid | November 2022

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