Und jetzt

Verrichtungen über das Warten

Ruth Geiersberger mit Martin Pfisterer, Klaus Janek, Wolfi Schlick, Manuel Heyer, Egmont Körner und Judith Hummel

Fotos: Manuel Heyer

Sitzen nun alle da und warten. Männer und Frauen, und alles vergessen, auch der eigene Beruf, das eigene Gesicht. Sitzen da und warten. Warten immerzu. Aufs Dessert. Aufs nächste Spiel.

(aus „Er ist nicht mehr da wenn er da ist“ von Urs Faes)

Gemeinsam mit dem Schauspieler Martin Pfisterer, den Musikern Klaus Janek und Wolfi Schlick, dem Videokünstler Manuel Heyer, dem Betreuer Egmont Körner und der Performerin Judith Hummel untersucht Ruth Geiersberger das Phänomen des Wartens: Die Zeit ist angehalten, und trotzdem will man sie vertreiben oder meint sie sinnvoll füllen zu müssen, mit Spielen, einem Tänzchen, dem Rezitieren von Texten. Was bleibt, wenn wir uns nicht mehr erinnern? Nur im Augenblick sein und auf den nächsten Moment warten? Heißt leben: sich erinnern? Was sieht jemand von der Welt, der nur auf dem Rücken liegt?

Das Projekt UND JETZT nähert sich einem Thema, das jeden von uns angeht. Die Lebenserwartung steigt und steigt – parallel dazu ist in Deutschland bis zum Jahr 2020 voraussichtlich mit über 1,4 Millionen und bis zum Jahre 2050 mit nahezu 2,3 Millionen Demenzkranken zu rechnen. Oft macht es von außen den Eindruck, als würden sie auf etwas warten - auf die Rückkehr eines Gefühls, eines Gedankens, einer Erinnerung, auf den Tod.

Bei den Recherchen zu UND JETZT beobachtete Ruth Geiersberger im November 2010, wie Menschen warten, im Bus-Wartehäuschen, im Wartezimmer einer Arztpraxis, im Wartebereich eines Amtes und an viele anderen spezifischen Warte-Orten. Wie sieht warten aus? Wie klingt das Warten? Wie riecht warten?

„Wir bringen keinen Krankheitsbericht auf die Bühne, sondern widmen uns individuell, behutsam und neugierig den beobachteten Phänomenen, und geben dem Erfahrenen Ausdruck. Verschiedene Spieleinheiten wechseln sich ab - vom An- und Ausziehritual über den Wutausbruch bis hin zur schlechten Unterhaltungsmusik ist einiges geboten. Auf einer Textwand im Hintergrund wird den permanent sich verschiebenden Blickwinkeln und Realitätswahrnehmungen in Gedankenspuren Rechnung getragen. Die Zuschauer bewegen sich innerhalb der Anordnung und sind Teil des Ganzen. Denn sind nicht die Beobachtenden auch Wartende? Und wenn ja – worauf warten sie?“ (Ruth Geiersberger)

Es war die nackte ungeheuerliche Wahrheit, dass während seiner ganzen Wartezeit das Warten sein Schicksal gewesen war.

(Eintrag in Becketts Tagebuch; früher Entwurf zu „Das letzte Band“)

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